zu früh gefreut - keine Kaufempfehlung
Es hätte eine Chance sein können: das neue Buch zum Kromfohrländer.
Leider sind die Erwartungen in das Werk nicht erfüllt worden.
„Was hältst Du von diesem Buch? Soll ich das kaufen?“
die Frage kam ab Spätsommer 2022 mit schöner Regelmässigkeit.
Nun, ich habe das Buch im Herbst gelesen und bin schon sehr erstaunt über den Inhalt und den Aufbau.
Im Sinne einer Rezension kann ich gerne hier Folgendes dazu bemerken:
Kurzfassung:
Leider am Ziel vorbei, es fehlen wichtige Bausteine für ein seriöses Sachbuch.
140 Seiten, davon gerade mal 4 Textseiten zum Wesen des Kromfohrländers, dazu fast die Hälfte nicht kromispezifisches Allgemeinwissen zum Thema Hund, Haltung, Zucht und Aufzucht, dazu viele
Sachfehler und teils grobe Fehler - ein ernüchterndes Fazit.
Ein Plus sind die schönen Fotos, aber die alleine machen noch kein gutes Buch aus. Leider keine Kaufempfehlung.
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Wer's gerne ausführlicher mag:
Ein Sachbuch über eine Hunderasse sollte einen breiten und umfassenden Überblick über Wesen, Zucht und Geschichte geben. Dazu braucht es fundierte langjährigste Rassekenntnisse, eine gute Vernetzung mit langjährigen Züchtern und dem standardgebenden Verein.
Die Autorin kann auf 10 Jahre Rasseerfahrung zurückblicken, hat bis zum Erscheinungsdatum des Buches sechs Würfe grossgezogen, davon die Hälfte reinrassig und züchtet nicht im standardgebenden
Verein.
Man darf sich fragen, ob das genügend Fundament ist für ein Sachbuch?
Reichen die gemachten Erfahrungen und das Wissen? Wurde gründlich recherchiert und wenn ja, wo?
Das Werk enthält einige grobe Fehler und erreicht das selbstgesetzte Ziel der Autorin, den Kromfohrländer realistisch und transparent in allen Facetten zu beleuchten, leider nicht.
Das Wesen des Kromfohrländers wird, rechnet man die Fotos weg, gerade mal auf ca. 4 Seiten beschrieben. Es fehlen sehr wichtige Informationen.
Der Kromfohrländer ist ein Hund mit meist eher unsicherem Charakter, er kippt leicht ins Ängstliche. Im Zweifelsfall reagiert ein ängstlicher Kromfohrländer sehr oft in die Agression. Er ist sehr
reizaffin, hat eine kurze „Zündschnur“ und ruht nicht in sich selbst.
Er ist definitiv für Kinder nicht gut lenkbar und ein Familienhund (wenn man diesen problematischen Begriff überhaupt brauchen möchte) ist er auch nicht. Sehr oft ist der Kromfohrländer
territorial veranlagt, auch dies wird zu wenig deutlich beschrieben.
Es wird auch versäumt, die Diskrepanz zwischen Realität und Rassestandard zu beleuchten. Der Standard gibt vor, dass Aggressivität und Ängstlichkeit nicht erwünscht sind. Die Wirklichkeit sieht
leider anders aus, viele Kromfohrländer bringen diese Eigenschaften mit.
Daran kann auch keine Erziehung etwas ändern.
Der Hinweis auf einen 60% Anteil bei erworbenen Wesenseigenschaften spielt den Ball der Verantwortung den Menschen zu, die demzufolge ja dann schuld sind, wenn sich der Kromfohrländer schwierig im Verhalten zeigt.
Interessenten, die sich für diese Rasse interessieren, wird ein falsches, zu geschöntes, Bild vom Kromfohrländer gezeigt. Dies hilft niemandem.
Die Entstehungsgeschichte des Kromfohrländers wird erwähnt, inkl. dem Mythos „Griffon Vendéen“. Es fehlt der Hinweis, dass es nie eine Rasse gab, die so heisst. Der Urpeter war schlicht ein rauhaariger Mischling.
Was für Irritation sorgt, ist das wilde Durcheinanderwirbeln von Fellvarianten-Bezeichnungen.
Bei einem neuen Buch über den Kromfohrländer hätte man die Gelegenheit nutzen können, mit korrekten Haartypbezeichnungen zu arbeiten.
Der Kromfohrländer ist gemäss dem ersten Ursprungs-Standard ein rauhaariger Hund. Daneben gibt es kurzhaarige Hunde und Langhaarhunde. Der Langhaarhund wird im Standard als Glatthaarhund
bezeichnet, was per Definition falsch ist. Korrekt wäre die Bezeichnung: rauhaarig, kurz mit glattem Haar und Langhaar.
(Ein Beispiel für die Fellbezeichnungen wären die Dackel oder auch der Kooiker. Niemand käme auf die Idee, den Kooiker als Glatthaarhund zu bezeichnen. Er hat langes Haar. Selbst erfahrene FCI Richter schmunzeln jeweils über die speziellen Fellbezeichnungen bei den Kromfohrländern).
Die Autorin bezeichnet einen abgebildeten Rauhaar-Kromfohrländer als kurzhaarig, und meint damit mutmasslich die Länge des Haares. Wer vom sichtbaren Typ spricht, vom Phänotyp, der hat den abgebildeten Hund klar als Rauhaar-Hund zu definieren.
Rauhaarigkeit definiert sich über das Vorhandensein von Bart und buschigen Augenbrauen plus einem trimmbaren Fell.
Die Länge des Haares tut dabei nichts zur Sache. Rauhaar ist entweder lebendes Haar, die Felllänge verändert sich stetig, es wächst. Ist das Rauhaar tot, dann kann es locker gezupft werden.
Wenn man Bento und Zottel, abgebildet im Buch und definitiv rauhaarig, als kurzhaarig rau bezeichnet, liegt man einfach daneben mit korrekten Bezeichnungen. Das vermittelt keine Kompetenz.
Der Kromfohrländer war und ist eine mischerbige Rasse punkto Fellvarianten. Deswegen haben viele rauhaarige Kromfohrländer kein typvolles harsches rauhes Haar.
Der Rauhaarzucht grösster Feind sind die Mischverpaarungen mit kurzhaarigen oder langhaarigen Hunden, die Rauhaarigkeit geht so Stück für Stück verloren. Und was rausgezüchtet worden ist, bekommt man ohne Input von Aussen nicht mehr zurück.
Ein Blick über den Tellerrand bei Dackeln z.B. zeigt klar, warum es Sinn macht, die Haarvarianten getrennt zu züchten. Auch Schnauzer und Pinscher hat man seinerzeit züchterisch getrennt, sie haben denselben Zuchtursprung.
Im ganzen Buch finden sich zum RZV, dem standardgebenden Verein mit knapp 70 Jahren Zuchtgeschichte, gerade mal 4 Sätze.
Es fehlen wichtige Informationen zum Zuchtgeschehen in diesem Verein, zu Zuchtlenkungsmassnahmen und zu Zuchtstrategien. Es fehlt die Aufarbei-tung der Standardänderungen und der gesamten
Kromfohrländer-geschichte innerhalb des VDHs.
Ebenso fehlen Hinweise und Hintergrundwissen zu Erkrankungen, die in den letzten 10 Jahren neu entdeckt worden sind wie Cystinurie oder das von Willebrand Syndrom Typ I. Hier gäbe es viel zu recherchieren und zu erläutern. Auch die Einführung des ersten Gentests beim Kromfohrländer (Digitale Hyperkeratose) geht im Buch unter.
Solche Mankos sind für ein Sachbuch über eine Hunderasse fatal. Sie reduzieren ein Sachbuch auf ein coffee table Buch mit schönen Fotos und oberflächlichen Informationen.
Ebenso wird nicht auf die Zuchtlenkungsmassnahmen bei den FCI Vereinen eingegangen. In der Schweiz gelten Zuchtlenkungsmassnahmen wie eine verpflichtende Patellauntersuchung für Zuchthunde und
ein Zuchtverbot für Kreuzungen Rauhaar – Langhaar.
In Finnland sind diverse Gesundheitschecks verpflichtend, die in Deutschland z.B. praktisch nie gemacht werden und wenn, dann freiwillig seitens Züchter. Dies alles herauszuarbeiten, wäre
interessant und wichtig.
Es finden sich weitere Fehler im Buch. Eine der Einkreuzrassen in Finnland war der Parson Russell Terrier und nicht der JRT, beim BARF sind Futterzusätze immer verpflichtend und nicht nach Bedarf (Jod, Oel z.B.) .
Ebenso kann auch in Oesterreich innerhalb des FCI ein Einkreuzwurf gemacht werden, dieser erhält Registerpapiere des ÖKV/FCI.
Wenn ein Sachbuchautor den Fach-Begriff Heterozygotie meint und dafür Heterozygosität verwendet, wird’s schwierig.
Auch der Index nützt wenig, sind doch die angegebenen Seitenzahlen jeweils falsch.
Bei der Trimmanleitung wird das Benutzen einer Schere für Ohren und Augenbrauen empfohlen, das ist definitiv ein „no go“.
Bei der Gesundheit ist es nicht so, dass sich Krankheiten, die nicht mittels Gentest testbar sind, mit einer familiären Anamnese ausmerzen lassen. Primär gibt es diverse Möglichkeiten für Untersuchungen, die Aufschluss über den Gesundheitszustand geben. Nicht für alle Erkrankungen gilt dies, aber für viele. Diese anzuwenden, und das aktuell vor jeder Verpaarung, wäre selbsterklärend.
In der Beschreibung zum Thema Zucht wird klar, dass das bei dem einen Zuchtverein nicht gemacht wird, wenn angesprochen wird, dass ein Rüde nach der Körung nur gesund bleiben müsse und nichts weiter tun müsse bis zum Deckeinsatz.
Es folgt ein langer Part, der sich wie ein erweiterter Werbetext für einen Zuchtverein liest. Zweifel am Projekt sollten da kommen, wenn man als Ziel die Erhöhung der genetischen Vielfalt hat, ab den F3 und F4 Generationen man aber lediglich Werte bei der genetischen Varianz erreicht, die unter denen des Durchschnitts/Rassehundes sind und nur leicht über der Prozentzahl des reinrassigen Kromfohrländers liegen. Das Ziel und das Erreichte sind nicht im Einklang.
Der konkrete Bezug zum Kromfohrländer endet ab Seite 64.
Bis Seite 131 folgen Zusammenfassungen von Welpen-/Erziehungs-ratgebern, Blogs und Zucht/Genetikbüchern. Hier wäre das Lesen der einzelnen Bücher sicher sinnvoller als eine quasi oberflächliche
Zusammenfassung im Eilzugstempo vorliegen zu haben.
140 Seiten, davon gerade mal 4 Textseiten zum Wesen des Kromfohr-länders, dazu fast die Hälfte nicht kromispezifisches Allgemeinwissen zum Thema Hund, Haltung, Zucht und Aufzucht, dazu viele Sachfehler und teils grobe Fehler - ein ernüchterndes Fazit.
Im Buch sind drei Logos von Zuchtvereinen abgebildet. Bei einem bezweifle ich stark, dass die Abdruckgenehmigung vorliegt, bei einem Logo ist klar, dass keine Erlaubnis zur Publikation besteht. Wieso geht man so vor? Schlechter Stil.
Und das grosse Manko ist, wie bereits erwähnt, das Fehlen der gesamten RZV-Zuchthistorie von 1955 bis in die heutige Zeit. So kann ein Sachbuch zu einer Hunderasse keine runde Sache sein.
Zum Schluss dürfen die vielen hochwertigen Fotos in Top-Qualität gelobt werden. Es macht Freude, diese zu betrachten.
Ein Bildband zum Kromfohrländer wäre mit diesem Fotomaterial eine tolle Sache, hier bei diesem Werk kann der Text der Bildqualität das Wasser nicht reichen.
Leider keine Kaufempfehlung meinerseits;
schade, die Zeit wäre reif für ein sehr gut recherchiertes und umfassendes Sachbuch zum Thema Kromfohrländer. Das vorliegende Buch ist leider kein solches.